Entschädigung für Fuss- und Fahrwegrecht
Die Entschädigung für ein Fuss- und Fahrwegrecht bemisst sich, vereinfacht ausgedrückt, am Vorteil, den der Berechtigte dadurch hat und am Nachteil, den der Belastete in Kauf nehmen muss. Was die Vorteile aus Sicht des Berechtigten bzw. die Nachteile aus Sicht des Belasteten sein können und wie Entschädigung berechnet werden kann, soll in diesem Artikel aufgezeigt werden.
Jedes Grundstück muss, damit es bebaut werden kann, «erschlossen» sein. Dies bedingt unter anderem, dass es über eine genügende Zufahrt verfügt. Was eine genügende Zufahrt ist, steht im Zusammenhang mit der Art der Nutzung und wird von der Baubehörde als Teil der Baubewilligung entschieden. Für ein Ferienhaus kann es durchaus sein, dass es genügt, wenn das Grundstück über einen Fussweg erreichbar ist. Spätestens dann, wenn die erste Sanierung ansteht, der Garten mit schweren Geräten umgebaut werden soll oder auch nur dann, wenn neue Möbel angeliefert werden, zeigt sich der Nachteil dieser Erschliessung und es fallen erhöhte Kosten für einen Spezialtransport an.
Meistens erfolgt die Zufahrt direkt ab einer öffentlichen Strasse auf das Grundstück und die Erschliessungskosten sind Teil der Baukosten. Es kann jedoch vorkommen, dass die direkte Erschliessung des Grundstückes nicht möglich ist und über eine fremde Parzelle erfolgen muss. Die Entschädigung für ein solches Fuss- und Fahrwegrecht setzt sich aus folgenden Komponenten zusammen:
Eine Entschädigung für ein Fuss- und Fahrwegrecht kann auf Grund der stehts unterschiedlichen Situation nicht «pauschal» und schon gar nicht vereinfacht in einem bestimmten Prozentsatz berechnet werden. Unter Berücksichtigung der oben erwähnten Vor- und Nachteile kann der mögliche Wertvorteil und der Wertnachteil bemessen und so die Entschädigung berechnet werden. Nachfolgend soll mit Hilfe von Beispielen die Berechnungsweise aufgezeigt werden.
Beispiel 1: Grundstück A ist zurzeit noch unbebaut und es gibt noch keine Zufahrt. Damit die Baubewilligung erteilt wird, muss mit dem Grundstück B ein Fuss- und Fahrwegrecht abgeschlossen werden. Der Eigentümer B ist gegen eine angemessene Entschädigung dazu bereit. Was wäre ein mögliches Angebot des Eigentümers A?
Ohne dieses Fuss- und Fahrwegrecht kann die Parzelle A nicht bebaut werden. Ohne Erschliessung hat das Grundstück den Gegenwert einer Landwirtschaftsparzelle mit vielleicht CHF 5/m², mit Erschliessung von allenfalls CHF 1’000/m². Dies weiss natürlich der Eigentümer der Parzelle B und kann es als Druckmittel einsetzen. Theoretisch könnte Eigentümer A eine Entschädigung von maximal 995/m² leisten, natürlich nur, wenn er das Grundstück für CHF 5/m² bekommen hat. Ansonsten könnte eine angemessene Entschädigung wie folgt bemessen werden:
Potenzieller Landwert (Verkaufspreise/Ertragswert Neubauprojekt – Baukosten)
- Aktueller Landwert (z.B. CHF 5/m²) oder Kaufpreis für die unerschlossene Parzelle A
- Kosten für Erschliessungsstrasse auf Parzelle B
+ Minderwert, welcher das Grundstück B wegen der Zufahrt in Kauf nehmen muss (Mehrlärm, eingeschränkte Nutzung der Umgebung oder bauliche Ausnützung)
+ Mehrwert der eigenen Umgebung, weil ein Teil der Fläche für die Zufahrt nicht über das eigene Grundstück verläuft und sich dadurch die höherwertige Gartenfläche vergrössert (Wert der Umgebungsfläche – Kosten für Erschliessung = Mehrwert)
= Maximale Entschädigung
Aber auch diese Betrachtung «funktioniert» nur, wenn der Eigentümer A das Grundstück schon besitzt oder für CHF 5/m² erwerben konnte. Ansonsten muss in der obigen Berechnung statt dem aktuellen Landwert, der Kaufpreis abgezogen werden. In diesem Fall ist jedoch zu befürchten, dass unter dem Strich kein Betrag für eine Entschädigung übrigbleibt. Am besten ist also, nur ein erschlossenes Grundstück zu erwerben.
Beispiel 2: Grundstück A ist mit einem Einfamilienhaus bebaut und hat bereits ein Fuss- und Fahrwegrecht zu Lasten Grundstück B. Das Einfamilienhaus auf Grundstück A soll abgebrochen und durch einen Neubau mit einem Mehrfamilienhaus ersetzt werden. Die Baubehörde entscheidet, dass die aktuelle, 3 Meter breite Zufahrt, für diesen Neubau mit den zusätzlichen Fahrten nicht mehr genügt und um ein einseitiges Trottoir erweitert werden muss. Der Eigentümer A geht auf die Eigentümer B (Stockwerkeigentümergemeinschaft) zu und möchte eine Anpassung des Fuss- und Fahrwegrechtes. Welches ist die massgebende Entschädigung für eine Erweiterung des Fuss- und Fahrwegrechtes?
Fest steht, dass das Grundstück A ohne Einwilligung der Eigentümer B nicht neu bebaut werden kann. Erteilen die Eigentümer B keine Zustimmung, kann das Grundstück A nur wieder im bisherigen Umfang bebaut werden. Daher berechnet sich die maximal mögliche Entschädigung aus Sicht des Eigentümers A wie folgt:
Potenzieller Landwert des Neubauprojektes (Ertragswert/Verkaufspreise abzüglich Baukosten)
- abzüglich Kosten bauliche Anpassung Zufahrt
- abzüglich aktueller Landwert der bestehenden Bebauung
+ Minderwert aus Sicht der Eigentümer B wegen Mehrlärm, kleineren nutzbaren Umgebungsfläche
= maximal mögliche Entschädigung
Liegt die Entschädigungsforderung der Eigentümer B höher, lohnt sich die Realisierung des Neubaus nicht.
Dieser Minderwert als Folge von Mehrlärm kann mit Hilfe von Messungen von einem dafür spezialisierten Büro berechnet werden. Gemäss bekannten Studien von Wüest Partner («Mikrolage neu gesehen») liegt der Minderwert pro Dezibel (A) zusätzlichem Strassenlärm bei 0.03% des Verkehrswertes. Die Herausforderung dürfte die Bestimmung des massgebenden Verkehrswertes der Wohnungen auf dem Grundstück B sein.
Beispiel 3: Die Zufahrt zum Grundstück A führt über das Grundstück B. Im Grundbuch ist kein Fuss- und Fahrwegrecht eingetragen. Das Grundstück A soll verkauft werden und der Kaufinteressent möchte, dass das Fuss- und Fahrwegrecht vor dem Verkauf geregelt wird. Der Eigentümer A argumentiert mit dem Gewohnheitsrecht und ist lediglich dazu bereit, sich an den zukünftigen Kosten zu beteiligen. Der Eigentümer B bestreitet nicht das eigentliche Recht für die Zufahrt, stellt sich jedoch auf den Standpunkt, dass der Eigentümer A sich bei einer ordentlichen Ausübung des Fuss- und Fahrwegrechtes hätte an den Erstellungskosten und den bisherigen Unterhaltskosten beteiligen müssen. Was wäre eine massgebende Entschädigung für die nachträgliche Vereinbarung für das Fuss- und Fahrwegrecht?
Eigentümer A hätte sich dannzumal an den Kosten für seine Zufahrt beteiligen müssen. Die Erstellungskosten per heute werden mit Hilfe des Baukostenindex auf den fraglichen Zeitpunkt zurückgerechnet und mit der seitherigen Teuerung (LIK) auf heute aufgezinst. Dies führt in der Regel zu einem höheren Betrag, als wenn die Zufahrt heute erstellt werden müssen. Dieser höhere Wert rechtfertigt sich dadurch, weil der Eigentümer B zusätzliche Kosten für die Erschliessung des Grundstückes A aufwenden musste, dieses Geld jedoch hätte anderweitig und mindestens inflationsgeschützt anlegen können.
Dieselbe Berechnungsweise und Überlegung gilt für die Unterhaltskosten. Entweder sind die durchschnittlichen Unterhaltskosten bekannt oder müssen geschätzt werden. Die jährlichen Kosten werden mit dem Rentenendwertfaktor und der durchschnittlichen Inflation auf heute aufgezinst.
Im Weiteren ist zu prüfen, ob der Eigentümer B als Folge der Zufahrt einen Minderwert erfährt. Ein Minderwert kann sich aus dem Mehrlärm ergeben.
Weiter ist zu prüfen, ob sich wegen der Zufahrt bauliche Einschränkungen ergeben, weil das Grundstück B nicht mehr weiter oder nicht voll ausgenützt werden kann. Der Minderwert ergibt sich aus Unterschied zwischen dem potenziellen Landwert (Landwert bei voller Ausnützung) abzüglich dem Landwert der eingeschränkten Nutzung.
B&O IMMO PARTNERS AG, Oktober 2025

